ein junger gott zum anfassen ...
impressionen von der vernissage des berndf.
von ursulab.

10 jahre nachdem das gründungsmitglied der künstlergruppe "junge goetter" ebendiese ins leben rief, kommt man nun in den genuss einer ausstellung von berndf., dem begnadeten künstler aus der dortmunder unterwelt. der einladung des mittlerweile solide im bergischen land lebenden schöpfers abstrakter und experimenteller kunst bin ich gerne gefolgt. typisch für diesen interessanten künstler, der sich seit jeher in keine schublade pressen ließ, ist schon der ausstellungsraum: sein wohnzimmer in radevormwald, wo die bilder als wanddekoration dienen und ich zur ausstellungseröffnung ein glas sekt serviert bekomme.

so extravagant wie der künstler und seine werke liest sich auch seine vita. widmete er sich auch zunächst sieben jahre lang dem studium der chemie, so tauschte er doch irgendwann die reagenzgläser gegen die acrylfarbe aus. während eines fluges nach münchen im rahmen seiner betätigung als it-trainer entdeckte er seine künstlerischen fähigkeiten beim verarbeiten einer gescheiterten beziehung. so entstand 1999 das erstlingswerk "keine nähe", das als bleistiftzeichnung während des fluges unter dem arbeitstitel "die flucht" seinen ursprung fand. erst im sommer desselben jahres wurde es auf eine 60 x 80 cm leinwand in acryl verewigt und hängt heute in der nähe eines chinesischen hochzeitschrankes, was an sich natürlich auch wiederum einen kontrast zum thema des kunstwerks bildet.

die einfachheit des bildes macht gleichzeitig auch seine besonderheit aus. zwei hungermännchen umgeben von verschiedenfarbigen flächen regen den betrachter zum nachdenken an. da ich ja, was das thema des kunstwerks betrifft, ein wenig vorinformiert bin, dürfte ich mit meiner interpretation wohl nicht ganz daneben liegen. das große hungremännchen wendet sich vom kleinen ab mit gleichzeitigem wechsel aus dem grünen ("alles in ordnung") und gelben (Sonne) Bereich in den blauen (ungewissheit). die ausgebreiteten arme signalisieren jedoch, dass er sein schicksal annimmt. das kleinere hinter ihm stehende männchen, das den weiblichen part darstellt, zeigt zwar mit herunterhängenden armen seine resignation, doch letztendlich sind es die roten bereiche, die die wahren gefühle dieser partner wiedergeben. das die beiden jeweils zu den hungermännchen gehörenden roten flächen die herzen der partner darstellen, habe ich zugegebenermaßen vom künstler während des sektempfangs erfahren. dem männlichen part ist es in die hose gerutscht, während es vom weiblichen part hoch erhoben getragen wird. die partner bilden also einen starken kontrast - der eine geht mit schlechtem gefühl in eine ungewisse zukunft, während der andere zuversichtlich im gelb-grünen bereich bleibt, sich jedoch über die richtigkeit seiner entscheidung nicht hundertprozentig im klaren ist.

ein jahr später folgte das kunstwerk "flammendes meer". hier hat der künstler mit farbkontrasten gearbeitet, wiederum auf einer leinwand in acryl. mit 100 x 70 cm ist dieses werk deutlich größer als der erstling.

interessant ist die tatsache, dass sich die farbe rot durch das gesamte bild zieht, gepaart mit einem kleinen gelben bereich und dem das meer darstellende blau.

deutlich macht sich hier die geänderte situation des künstlers bemerkbar. das meer einerseits signalisiert die bewegung, die rote farbe andererseits kann durchaus für das wieder aufgeflammte feuer der gefühle stehen. das flammende meer zeigt die positive entwicklung des schöpfers, er befindet sich im umbruch, es geht vorwärts. das zusammenspiel der elemente feuer und wasser weist jedoch gleichzeitig auch auf etwaige gefahr hin... das meer kann auch zur sturmflut werden, am feuer kann man sich verbrennen. hier befand sich der künstler ohne zweifel in einer aufregenden situation.

die extravaganz des jungen gottes kommt nicht nur in seiner selbstbewussten präsentation der bilder, sondern auch in den bildern selbst immer wieder zum vorschein. ein gutes beispiel hierfür ist das 2001 entstandene werk "monolithen im diffusen raum", mit einer 80 x 100 cm leinwand das größte seiner werke. die drei schwarzen balken, die die monolithen darstellen, besitzen keinerlei perspektive, und trotzdem wirken sie versetzt. das schwarz der balken spiegelt eine eher düstere stimmung. auch der in dunkelgrün gehaltene "diffuse raum" ist sicherlich weniger ein zeichen von hoffnung als die darstellung einer unendlichen melacholie. hier hat womöglich ein negatives ereignis den künstler zum erschaffen schwarzer monolitehn bewegt. der diffuse raum zeigt außerdem, dass er in diesem moment keinen wirklichen ausweg wusste - er besitzt, genau wie das werk, keine perspektive. jedoch ist nicht alles verloren, denn wie gesagt, wirken die monolithen ja trotzdem versetzt. man kann also eine eigene perspektive schaffen. dies hat sich zu jener zeit vieleicht auch der künstler vorgenommen.

das letzte bild "folikelsprung" entstand erst 2007 auf einer 70 x 50 cm leinwand. zu diesem werk fallen mir spontan gleich mehrere interpretationsmöglichkeiten ein. ob es beim verzehr eines spiegeleis oder aber an einem sonnigen tag entstanden ist, konnte ich leider nicht herausfinden. das thema des eisprungs vor einem blutroten hintergrund erinnert aber immerhin an jenen künstler, der seinerzeit die load- und reload-kunstwerke mit samen, blut und noch so manch anderen exkrementen erschuf. jedoch glaube ich nicht wirklich, dass hier eine parrallele gesucht werden sollte. vieleicht ist es einfach die entscheidung des immerhin mittlerweile älter und reifer gewordenen künstlers, etwaigen vaterfreuden lieber entsagen zu wollen. andererseits kann es aber auch eine befreiung bedeuten. er wirft allen ballast von sich und lebt sein leben mit pulsierendem blut. das ei kann also durchaus auch als sonne gesehen werden.

nachdem ich meine interpretationen notiert habe, sinniere ich bei einem weiteren glas sekt darüber, wie interessant die bilderreihe eigentlich wirklich ist. es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese vier bilder des lebenszyklus unseres nicht minder interessanten künstlers widerspiegeln. wahrlich, wie er da auf seinem stuhl sitzt und nachdenklich eine zigarette raucht, die augen prüfend auf seine besucher gerichtet, wirkt er tatsächlich wie ein junger gott. aber wie einer zum anfassen, denn er ist weder überheblich noch überkandidelt. ein künstler, den man gerne wieder besuchen möchte.

eines jedoch würde mich brennend interessieren: wie wird wohl sein nächstes kunstwerk aussehen? nun, ich hoffe, ich werde es zu gegebener zeit erfahren.
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